Wenige Wochen vor der Präsidentenwahl im international isolierten Weißrussland verstärken die benachbarten EU-Staaten ihre Bemühungen um eine Unterstützung der dortigen Opposition.
Seit gestern Abend sendet aus dem ostpolnischen Bialystok der Sender Radio Racja, der die weißrussische Bevölkerung mit unabhängigen Informationen versorgen soll. Das Programm soll vom polnischen Staat finanziert werden. „Polen wird der Opposition in Weißrussland helfen“, sagte Staatssekretär Adam Lipinski beim offiziellen Start des Senders. Polen, aber auch andere mitteleuropäische Länder wie die Slowakei oder die baltischen Staaten setzen sich seit Monaten in der EU für eine aktivere Politik im Hinblick auf Weißrussland ein.
Dessen autoritär regierendem Präsidenten Alexander Lukaschenko wird vorgeworfen, die Opposition systematisch zu drangsalieren und eine freie Wahl zu verhindern. Lukaschenko bewirbt sich nach einer umstrittenen Verfassungsänderung um eine dritte Amtszeit als Staatschef. Gegen den Amtsinhaber treten zwei Kandidaten an: der parteilose Alexander Milinkiewitsch und der Chef der Sozialdemokraten, Alexander Kosulin. Der dritte Herausforderer, Sergej Gajdukiewitsch, Chef der Liberal-Demokratischen Partei, macht aus seiner Sympathie für den jetzigen Machthaber keinen Hehl. Er gilt als „technischer Kandidat“ Lukaschenkos mit der Aufgabe, den echten Oppositionellen Stimmen wegzunehmen.
Ausländische Beobachter zweifeln kaum daran, dass Lukaschenko am 19. März den Sieg davontragen wird. Allerdings könnte vom genauen Prozentsatz eine Signalwirkung ausgehen. Nichtregierungsorganisationen aus Europa und den USA versuchen, für den Wahltag unabhängige Umfragen zu organisieren, die neben dem offiziellen Ergebnis veröffentlicht werden sollen. Die Menschen sollen dabei nicht vor den Wahllokalen, sondern erst an ihren Wohnungen befragt werden. „Wenn Milinkiewitsch die Marke von 25 Prozent durchbricht, könnte es interessant werden“, sagt Balazs Jarabik von der slowakischen Pontis-Stiftung, die auch in Weißrussland aktiv ist. „Seine Umfragewerte gehen derzeit kontinuierlich nach oben.“
Das Regime versucht jedoch, ausländische Umfragen zu verhindern. Milinkiewitsch, der als besonnener Politiker gilt, ist bemüht, den Eindruck eines Aufrührers zu vermeiden. „Wir wollen in den Köpfen und in den Herzen der Menschen siegen“, sagte er der FTD. Der 58-jährige Physiker, der im Oktober zum Einheitskandidaten der Opposition gewählt wurde, bezeichnet sich selbst als „unpolitischen Menschen mit sauberen Händen“. Milinkiewitsch hat ein Schatten-kabinett aufgestellt, dem der Chef der Vereinten Bürgerlichen Partei, Anatolij Lebedko, und der Chef der Kommunisten, Sergej Kaljakin, angehören. Das Wahlprogramm sieht eine Demokratisierung des Landes vor, eine liberale Wirtschaftspolitik und die Öffnung hin zur EU.
Das größte Problem des Oppositionskandidaten ist, dass er kaum Zugang zu den Medien hat. Die Nachrichten des staatlichen Fernsehens ähneln einer Propagandashow für Lukaschenko. Die verbliebenen Oppositionszeitungen wurden Anfang des Jahres aus dem staatlichen Vertriebssystem ausgeschlossen. Milinkiewitschs Wahlhelfer haben sich daher auf eine Tür-zu-Tür-Kampagne verlegt, die nur wenige Menschen erreicht. Große Kundgebungen der Opposition werden gezielt verhindert. Die Miliz trieb Demonstrationen für Milinkiewitsch in Minsk brutal auseinander. Teilnehmer wurden verhaftet und im Eilverfahren zu Haftstrafen verurteilt.
von Tatjana Montik, Kiew,
und Nils Kreimeier, Berlin